Berlin Werwolf – Blutsbrüder von Rainer Stenzenberger

werwolf_RZ.indd Rainer Stenzenberger
Berlin Werwolf – Blutsbrüder
Verlag: be.bra Verlag
256 Seiten
Taschenbuch
ISBN-10: 3814801954
ISBN-13: 978-3814801957
14,95 €

Das Cover des Buches ist relativ einfach gehalten: Dunkle Schwarztöne dominieren das Bild, das einzig Helle ist der von dunklen Wolken umgebenen Vollmond. Durch diesen schwarzen Hintergrund ziehen sich die Abdrücke einer Klaue, die es so wirken lassen, als wäre das Buch einem Werwolf (oder vielleicht auch einem Hund) in die Klauen geraten. Ein interessantes Cover, das trotz seiner Schlichtheit das Interesse des Betrachters weckt.

Gero von Sarnau ist ein Werwolf, der mehr Probleme hat, als er an einer Hand abzählen könnte: Jeden Vollmond verwandelt er sich in ein menschenfressendes Monster, er hat keinen Job, sein Mustang benötigt dringend wieder eine Reparatur, seine Freundin hat seinetwegen Ärger mit ihrer Familie, sein letztes Geld hat er ohne mit den Wimpern zu zucken verzockt und seine Selbstbeherrschung hat Grenzen, die die gutaussehende Anwältin aus der Bar bei weitem überschreiten. Ob ein Raubüberfall bei dem Vater seiner Freundin Abhilfe schafft? – Zumindest die finanziellen Probleme von Gero und seinen Freunden sollten sich im Erfolgsfall in Luft auflösen.

Schon am Prolog merkt man, dass sich zumindest Gero mit der geplanten Aktion ziemlich weit in die Scheiße geritten hat. Im Rückblick erzählt er, wie es zu der blöden Situation gekommen ist, in der er sich jetzt befindet. Dabei bekommt der Leser nicht nur einen Überblick über Geros Freunde, sondern auch über Geros aktuelle Situation. In seinem Umfeld gibt es nach den ersten paar Seiten genau zwei Figuren, die ich wirklich mag: Sammy, einen Straßenjunge, dem Gero gelegentlich unter die Schultern greift und Geros Freundin Suna.

Damit sind dann aber auch schon alle Sympathiepunkte verteilt. Geros gelegentliche Ausflüge als Werwolf kann ich ihm – trotz zum Teil tödlichen Ausgangs – noch verzeihen, immerhin hat er nicht die geringste Kontrolle über seine Wolfsgestalt und kann sich schlussendlich nicht einmal an die Taten erinnern. Damit sind die Momente sowohl vor als auch nach der Verwandlung ziemlich übel für ihn – wer möchte schon nackt irgendwo in der Kälte aufwachen, ohne genau zu wissen, wie man dorthin gekommen ist? Hier hat man als Leser eindeutig einen Vorsprung: Rainer Stenzenberger lässt Geros Lupus (seine Werwolfgestalt) den Teil der Geschichte erzählen, den Gero „verpasst“. Eine ziemlich interessante Art der Erzählweise, da der Lupus eher trieb- und instinktgesteuert handelt, wenn auch deutlich intelligenter und planender, als ich es ihm zugetraut hätte.

Geros Verhalten als Mensch ist erst einmal ziemlich unreif – vor allem dafür, dass er knapp vierzig ist – und übertrieben „männlich“. Themenschwerpunkte sind Fußball, Frauen und natürlich Geld – das fehlt schließlich sowohl ihm als auch seinen Kumpeln. Die Pläne, die sie schmieden um an Geld ranzukommen, sind nicht gerade zimperlich: Nicht nur, dass sie einen Überfall planen, das Opfer ist – wenn auch selbst kriminell – zudem noch Sunas Vater. Suna selbst wird von Gero gleich mehrfach betrogen, mit verschiedenen Frauen und eben jenem Plan. Man kann ihm zu Gute halten, dass er sich bewusst ist, dass es nicht gerade die feine Art ist und zumindest ein schlechtes Gewissen hat. Nichtsdestotrotz ist er damit ein ziemliches Arschloch. Allerdings ein Arschloch, das für seine Freunde einsteht und sogar sein Leben für sie riskiert.

Der Plot selbst ist überlagert von Fehlschlägen, Versuchungen (denen nachgegeben wird) und jeder Menge unglücklicher Zufälle, die die Truppe immer weiter in die Scheiße reiten. Eine Tatsache, die Rainer Stenzenberger wirklich spannend und absolut fesselnd gestaltet und dass, obwohl schon mit dem Prolog fragwürdig ist, ob die Geschichte gut ausgeht. Mit jeder gelesenen Seite lässt der Autor diese Hoffnung weiter schwinden. Auf ein Happy End braucht damit wirklich keiner zu hoffen – auch wenn es natürlich (noch) schlimmer hätte kommen können. Vielleicht tut es das ja im nächsten Band?

Was mir gefallen hat ist Rainer Stenzenbergers Idee, eine Geschichte über einen „echten“ (nicht romantisch verklärten) Werwolf zu schreiben. Auch die ungewöhnliche Erzählperspektive und das Berliner Setting fand ich klasse. Die Hauptperson selber war mir dann allerdings trotz einiger weniger netter Züge deutlich zu unsympathisch. Das hat dem Lesefluss zwar keinen Abbruch getan, schlägt sich aber insgesamt recht negativ auf mein Gesamturteil aus. Um die Geschichte wirklich zu mögen, muss man meiner Meinung nach auch Gero mögen – und dafür fehlen mir sowohl das Verständnis für seine „männlichen“ Gedankengänge als auch für sein Verhalten. Leser, die nichts gegen untypische, unromantische und eher unsympathische Protagonisten haben, werden an dem Buch aber ganz sicher ihre Freude haben – und wer sich nicht sicher ist, kann es ja einfach mal mit „Blutsbrüder“ versuchen. Die ersten Seiten findet ihr hier.

Published in: on April 12, 2014 at 9:00 am  Kommentar verfassen  
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