„Der Geschmack von Wasser“ ist kein Fantasy, sondern eine klassische Dystopie, die komplett ohne magische Elemente auskommt. Allerdings eine ungewöhnliche Dystopie. die mehr als nur einen kurzen Blick wert ist. Und damit gibt es heute mal wieder eine Rezension unter der Kategorie „Blick über den Tellerrand“ – nicht, dass wir komplett im fantastischen Genre hängen bleiben ;-).
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Emmi Itäranta Der Geschmack von Wasser Verlag: dtv 340 Seiten Hardcover ISBN-10: 3423650095 ISBN-13: 978-3423650090 14,95 € |
Das Cover des Buches zeigt eine hölzerne Wand (oder Tür), die mit einem blauen Kreis bemalt wurde. Eine Darstellung, die sich auf eine ungewöhnliche Art von den typischen Coverdarstellungen abhebt – und eine Darstellung mit eindeutigem Bezug zum Buch. Was dieses Symbol bedeutet, wird dem Leser im Verlauf der Geschichte deutlich. Ich finde die Wahl des Covers damit ziemlich gelungen, auch wenn ich nicht weiß, ob ich ohne Empfehlung aufgrund des Covers oder des Titels zu dem Buch gegriffen hätte.
Im Gegensatz zu den meisten Bewohnern ihres Dorfes leidet Noria nicht unter dem Mangel an Wasser. Eine geheime Quelle versorgt sie und ihre Familie mit Wasser – und macht den Tee ihres Vaters zu etwas Besonderem. Als geachteter traditioneller Teemeister geriet Norias Vater nie ins Visier des Militärs. Bis ein neuer Kommandeur das Kommando über das Dorf übernimmt, die Traditionen der Teemeister mit Füßen tritt und Norias Familie genau beobachtet. Und das zu Zeiten, wo das ganze Dorf inklusive Norias beste Freundin Sanja immer mehr unter der aktuellen Wassernot zu leiden beginnt und schlechtes Wasser immer mehr Menschen an den Rande des Todes bringt.
Es ist eine harte Welt, in der Noria lebt – auch wenn sie als Tochter des örtlichen Teemeisters nur wenig darunter leidet. Tatsächlich macht sie sich vermutlich nicht mal Gedanken über den Mangel an Wasser – auch wenn sie ihrer Freundin über Aufträge immer wieder welches zukommen lässt. Ihr Vater bildet sie in die Kunst der Teemeister aus: Das Ausführen von Teezeremonien und die Gedanken, die hinter diesen Zeremonien stecken. Traditionen und Zeremonien, die an das Japanische erinnern. Noria und ihren Vater lassen sie bei den Gedanken und Taten um die Zeremonien weise und ausgeglichen wirken. Der Bruch mit den Regeln der Zeremonien durch den neuen Kommandeur Taro zerstört die Ruhe und Gelassenheit – und das ist erst der Beginn seiner Mission.
Im weiteren Verlauf des Buches beginnt auch die vorher eher sorglose Noria sich Gedanken und Sorgen zu machen: Vor allem um ihre Eltern, aber auch um ihre Freundin Sanja und später sogar um die anderen Bewohner des Dorfes. Während die Traditionen, die ihr bisheriges Leben bestimmt haben, zu zerbrechen beginnen, muss sich Noria entscheiden: Zwischen Tradition und Mitgefühl, Angst und Hoffnung. Hoffnung, die durch Sanjas und Norias Deponiefunde über eine verbotene Mission genährt wird.
In Emmi Itärantas Geschichte gibt es keine Schlachten und Kämpfe mit den herrschenden Mächten. Der Widerstand ist klein und heimlich: Das Wahren alter Traditionen, die Suche nach verbotenem Wissen und das Hüten einer uralten Quelle. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen Noria, ihre Gedanken und Entscheidungen und deren Folgen. Damit ist „Der Geschmack von Wasser“ ziemlich philosophisch. Die um Noria schwebende Bedrohung durch das Militär ist stets präsent und hält die Geschichte trotz der Ruhe, die sie ausstrahlt spannend, auch wenn Gewalt und Gleichgültigkeit ziemlich einseitig vorherrschen.
Emmi Itärants Buch ist weder actionlastig noch romantisch. Sie lässt den Leser eher wie in einer Teezeremonie innehalten und nachdenken – vielleicht auch über den eigenen Umgang mit den natürlichen Ressourcen der Erde. Das Ende der Geschichte ist – wie ein Großteil des Buches – ziemlich melancholisch, wenn auch nicht ohne Hoffnung. Sehr passend für eine Dystopie, auch wenn die Geschichte selbst eher ungewöhnlich ist.
Insgesamt ist „Der Geschmack von Wasser“ vermutlich nicht jedermanns Geschmack, keine Mainstream-Dystopie, die Bestseller-Listen anführt, aber ein Buch, das nachhallt.
Es ist keine pure Unterhaltung – wer diese möchte, sollte ein anderes Buch wählen – sondern eine Geschichte zum Nachdenken, eine ziemlich gute sogar.
Wenn ihr es mal mit ihr versuchen wollt findet ihr hier eine Leseprobe.