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Kage Baker Die Frauen von Nell Gwynne’s Verlag: Feder und Schwert 160 Seiten Taschenbuch ISBN-10: 3867620741 ISBN-13: 978-3867620741 9,95 € |
Dass es sich bei den „Die Frauen von Nell Gwynne’s“ um einen Steampunk-Roman handelt, kann man schon auf dem ersten Blick erkennen, auch wenn keine Zahnräder oder ähnliches auf dem Cover zu finden sind: Die Kleidung der auf dem Cover befindlichen Frau, aber vor allem die dunkle Gestalt im Hintergrund wirken doch recht steampunkig.
Was passiert einer jungen Frau aus gutem Hause, wenn sie sich nach dem gewaltsamen Tod ihres Vaters allein durch eine feindliche Umgebung schlagen muss? Das Überleben ist das eine, die Rückkehr in alte Gewohnheiten undenkbar. Aber Lady Beatrice hätte es schlimmer treffen können: Ein alter Bekannter vermittelt sie an eine Organisation, die den Geheimnisträgern unterschiedlichster Schichten auf ihre Art ihre Geheimnisse entlockt.
Das Schicksal der Lady Beatrice ist hart, auch wenn die Autorin in ihrer Erzählung definitiv nicht die mitfühlende Ader des Lesers anschlägt. Tatsächlich beschreibt sie sowohl Kriegsgräueltaten als auch Hurerei (auf diese Art schaffen es die Frauen, den Männern ihre Geheimnisse zu entlocken) sehr unpersönlich zu schildern, sodass tragische Ereignisse hier einfach nur wie Fakten wirken. Nichtsdestotrotz hat mich die Geschichte der wohlherzogenen Lady, die zur gefallenen Frau wird und dann in der Organisation eine neue Heimat findet, in ihren Bann gezogen. Etwas, das bei einer detaillierten Schilderung ihres Schicksals vielleicht nicht der Fall gewesen wäre.
Auf den wenigen Seiten bleibt Kage Baker nicht viel Zeit, die Figuren und ihre Umgebung bis ins kleinste Detail auszuarbeiten. Dennoch hat man trotz der eher faktischen Erzwählweise nicht das Gefühl, von gesichtslosen Figuren umgeben zu sein. Tatsächlich schafft es die Autorin immer wieder, Feinheiten einzubringen, die die Geschichte mit einem steampunkigen Charme versehen. Kleinigkeiten wie das verlorene Augenlicht der Leiterin der Organisation, Mrs. Corvey, oder die kleinen Erfindungen, die das Leben der Agentinnen erleichten, lassen im Kopf des Lesers wie kleine Spotlights Bilder von wichtigen Figuren und der Umgebung, in der sie unterwegs sind, entstehen.
Der Plot könnte einem altem Spionageroman entnommen sein, die Szenerie passt in jede beliebige Steampunkwelt, trotzdem versteht es Kage Bake zu punkten: Mit einer sympathischen Heldin, kleinen steampunkigen Accessoires und einem schlussendlich doch recht überraschenden Ende.
Vom Umfang her hätte „Die Frauen von Nell Gwynne’s“ eher in eine Steampunkanthologie als in ein eigenes Buch gepasst. Das macht sie jedoch nicht minder lesenswert. Mir hat der – zugegeben recht kurze – Ausflug in Kage Bakers Geschichte jedenfall gefallen, ich könnte mir durchaus vorstellen, ein weiteres Abenteuer an der Seite ihrer Mädchen zu erlesen.